Pataphysische Auseinandersetzung mit Leitplanken
Die Barrierensoziologie (auch Patazönologie; englisch Patasociology) ist eine deskriptive und systematische Methode der Patabotanik (Verkehrsgeographie) zur Typisierung der Leitschienen und Gliederung der Leitschienenvarianten. Sie kann als Teilgebiet der Pataphysik aufgefasst werden, die sich innerhalb der Straßennetzökologie mit der Leitplankendecke beschäftigt. Mit der generalisierenden Leitplankenbeschreibung werden die realen Fälle quasi zu einem Idealtypus abstrahiert. Die Leitschiene ist eine Kraft und ein Konstrukt, sie ist Kampf und Konzept. Diese Barriere, die alle spüren können und die niemand spüren will, ist eine globale Leitkraft, der gute Schatten am Straßenrand. Ein Künstler sprach von der Leitschiene als einem Engel, der führt und schenkt oder verbietet bzw. vermeiden hilft.
Dennoch kann eine Leitplanke verhältnismäßig wenig tun, denn sie hält sich meistens fern und steht voll Trägheit da.
Doch ist es nur eine scheinbare Starre, ein täuschendes Phlegma, mit dem die Trägersäulen die Landschaft durchziehen und von Übelmeinenden oft als Feinde jeder Poesie bezeichnet werden. Diese Führerschienen geben den Straßen die Form, verhindern ihr Hinausfließen übers Bankett -mit fallender Böschung- in die Natur.
Die Asphaltströme werden durch sie in Bahnen gehalten, Leitschienen schweigen und stemmen sich dennoch tapfer gegen den monströsen Verkehr.
Durch die leeren Wölbungen ihrer Profile dringt Luft, die beharrlich neben den Rädern der Fahrzeuge entlangweht und diese in neue Gegenden begleitet, eine Luft, in der Öl und Ruß, feinste Partikel und Tropfen Blutes von zermatschten Tieren, die Flügel von Insekten in einem feinen Schleier die Verkehrsteilnehmer begleiten.
In ihrer Starrheit sind sie trotzdem ein Schmierfilm, der mit jedem Zentimeter neues Terrain verheißt. Diese Unsichtbarkeit mit einer Ameisenstraße zu vergleichen liegt nahe, die Leitschienen schieben sich ja über alle Kontinente.
Die Führerschiene und Schutzplanke, in ihrer besten Form als Super-Rail bezeichnet, ist in jedem Fall ein berechenbares, optisch gut erkennbares Hindernis und im Falle eines Unfalls eine physikalische Sperre, die bei den meisten Fahrstilen nur zu Sachschaden, kleineren Schrammen und leichten Verletzungen führt.
Die schenkende Schiene für Eilige, das Durchrutschen unter der Planke, fügt bei Stürzen mit niedriger Geschwindigkeit und durch Hängenbleiben an den Pfosten hauptsächlich Zweiradfreunden schwerste Verletzungen zu. Typisch sind hierbei
Amputationsverletzungen, im Äußersten Enthauptungen. Derartige Verletzungen sind auch beim Durchrutschen niedriger Sportwagen möglich, wobei der Aufprall auf die Schutzplanke, insbesondere bei Cabrios, schon bei niedrigen Geschwindigkeiten hohe Personenschäden nach sich ziehen kann. Die Begegnungen mit schenkenden Schienen, für einen Energieausgleich, sind allerdings nach ein paar Sekunden vorüber. Dann lässt die Schiene bestenfalls eine ergriffene Seele mit dem Gefühl des Ganzseins, in Selbsterkenntnis und größerer innerer Sicherheit zurück. Manche, die an eine Schiene gerieten, sprechen von warmen Gefühlen und körperlichen Empfindungen während des Crashs, von tiefem inneren Frieden, einem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit sowie einem Bewusstsein von Ruhe, Glück und Liebe.
Die verbietende Schiene ist beinahe ein Gerät, das mit seiner Oberfläche Horror-Szenarien verhindert und davor schützt, dass ein Fahrzeug in den Gegenverkehr gerät.
Die vermeidende Schiene mindert im Falle einer Kollision die Anprallheftigkeit und ist für die Insassen immer günstiger als ein nicht-nachgiebiges Systemen aus Fels oder Beton. Auch heben bei solchen Leitplanken die Fahrzeuge nicht ab, bleiben also steuer- und bremsbar. Damit werden die Risiken von Folgeunfällen gemindert.
Die neueste Generation von Leitschienen wird aus Graphen gefertigt, das seit seiner Entdeckung als Wundermaterial gilt. Zehnmal härter als Stahl, und das bei nur fünf Prozent dessen Gewichts – das sind die erstaunlichen Kenndaten dieses Baumaterials. Für die außergewöhnlichen Eigenschaften sorgen wabenförmig angeordnete Kohlenstoffatome, sogenannte „Graphen-Flocken“. Die nahezu hohle, „flauschige“ Struktur, die ein wenig wie eine psychedelische Meereskreatur aussieht, ist vergleichbar mit jener von Korallen. Italienische Forscher präsentierten in diesem Zusammenhang den „Graphen-Tree“ in Rom. Sie haben eine stabile Struktur aus Pilzmyzelium und Graphen geschaffen, das man wie Korallen wachsen lassen kann.
Leitplanken müssen nicht nur stabil sein, sondern auch die Nachhaltigkeit ihrer Bauweise rückt immer mehr in den Fokus. Die Vision ist zur Tatsache geworden, Leitschienen kann man endlich wachsen lassen und nach Ende ihrer Nutzung die Baustoffe wiederverwerten.
Diese Masse lässt sich in fast jede Form bringen und ist nach einigen Stunden fest verdichtet. Dafür wurde für die Herstellung von w-förmigen Leitplanken mit 2 Wellen und 3 Wellen eine neuartige Leitplanken-Rollformmaschine entwickelt.
Dieses „smarte“ Material hat zudem noch selbstreparierende Eigenschaften, basierend auf dem Vorbild der Blutgerinnung beim Menschen. Dieses Wundermaterial Pilz-Graphen lässt sich noch dazu wie Eisen magnetisieren. Wasserstoffatome machen das möglich. Damit sind auch digitale Speicher in den Leitschienen möglich. Damit Graphen magnetisch wird, müssen einzelne Elektronenspins (Eigendrehimpulse) vorkommen. Es wird nur in einem extrem starken Magnetfeld diamagnetisch. Den nötigen Drehimpuls liefert die Drehbewegung der vorbeifahrenden Fahrzeugräder. Die so magnetisierte Leitplanke stößt gleichzeitig zu nahe kommende Felgen von sich weg. Da man Elektronenspins beispielsweise zum Speichern von Informationen nutzt, werden die Pilz-Graphen-Schienen auch als digitale Speicher zur Stützung der Neuen Mobilität (Mobility Data Spezifikation MDS) genutzt. Forschungen in Permanent-Kontaktloses-Laden, also die Stromversorgung von Elektrofahrzeugen über diese Leitschienen sind schon weit über das Versuchsstadium hinaus in eine praktische Testphase gelangt.
Leider müssen Menschen noch immer ohne Leitschienen leben.
Durch Leitschienen gewinnen wir Sicherheit. Im Bann der Leitplanken stellt sich die Frage, wohin führen uns die Leitschienen?
Verfahren wir uns, wenn wir ihnen nicht folgen oder werden wir gar vernichtet?
Die ungeheure Mehrheit folgt mit Bewunderung der Regie, fügt sich in die Illusion der Freiheit von Autobahnen und Straßen.
Die Barriereschienen sind ein Garant für zivilen Frieden, stellen den Kern der Reisefreiheit dar unddieses Recht ist nicht verhandelbar. Überall dort, wo an unseren Straßen Gefahrenmomente auftreten können, ist daher der Einsatz von normgerechten Schutzeinrichtungen eine Maßnahme, die Menschenleben retten kann. Ob Kegelstift oder Babyschnuller, Treppe oder Schraube, Leiter oder Zahnbürste – alles in unserem Alltag ist schließlich von Normen erfasst. Die selbstwachsenden Fahrzeug-Rückhaltesystemen entsprechen RAL-RG 620. Um diese Norm zu erfüllen, wurden die Leitplanken auf Zuverlässigkeit und Aktualität getestet. So können wir mit ruhigem Gewissen den Raum der Autobahn oder Straße an der Auffahrt betreten, sie wird zu einer Startbahn, der Wagen beschleunigt und sanft werden wir in den Sitz gedrückt. In Bodenhöhe erlebt man aus der motorisierten Kapsel heraus die Geschwindigkeit, wie aus einem Raum im Raum. Schutz und Exponiertheit, Weglaufen und Zu-sich-Finden, Abwechslung und Monotonie, Gemeinsamkeit und Alleinsein findet sich zwischen den Leitschienen. Obwohl viele Fahrer die Autobahn mit Freiheit assoziieren, ist sie immer ein Paradox von Möglichkeit und Notwendigkeit: Selbst spontane Fluchten bleiben eingerahmt von Regeln, Gesetzen und physikalischen Grenzen, der Tacho ist eigentlich ein Raummessgerät, das Auto eine Zeitmaschine für die Passage. Am Ende des Weges warten Ziele.
Der anthropogene Klimawandel ist eine unausweichliche Realität und der Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen wird erheblich steigen. Die smarten Leitschienen bieten Aussichten auf technische Lösungen, die dieses Problem angemessen angehen könnten. Folglich werden ‘Pata-Perspektiven wünschenswerter Zukünfte erforderlich sein, die sich zum Teil auf Interventionen stützen, die vielleicht von erheblichen Teilen der Bevölkerung als ungünstig empfunden werden. Dies wirft die Frage nach der Bewältigungs-Vorherrschaft auf: Wer wird die Kontrolle haben?
Auf dem Weg zu einer wünschenswerten Verkehrszukunft verfügen wir glücklicherweise über das Wissen, die Technologie und die pataphysischen Maßnahmen, die wir brauchen, um das Mobilitätssystem in ein nachhaltiges System zu verwandeln. Wir haben gesehen, wie unscheinbare Teenager auf eine kohlenstoffarme Gesellschaft bestanden und damit weltweite Bewegungen ausgelöst haben.