Bieder Biomeier im Ursulinenviertel
Im Osten ragt der Donauturm
gleich einem steifen Wurm
in den nächtlichen Blick
wie der Orientierungs-Stick von einem Navigationssystem.
Die Ursulinenstraße nun für Bieder sein Weg ins Glück,
Wo Herr Biomeier gerade noch die Nacht
bequem
in einer First Class Lounge zu Gatwick
verbracht.
Dort, im Ursulinenviertel
war Herrn Biomeier zugetragen worden,
lebten ganze Horden,
junge freundlich‘ Extravertierte.
Und Frauen, so fesch! –
hielten sich tagein tagaus
an Pokalen mit Kaffeelatte fest.
Die Männer in gepflegter Dreitagerasur,
wie auch das Haar um Bieder‘s Mund
diese Herren gäben nie Zeichen einer Zeitnot kund
und wirkten wie Kinder,
So sorg-
Und kompromisslos und bunt.
Könnten denn gute Menschen böse sein?
Weil junge Leute, kurz bevor sie alt werden,
doch noch ein oder zwei Kinder erzeugen
wären dort auch kleine Parks zum Spielen und Säugen.
Hierorts verstünden sich die Menschen ganz gern,
als multikulturell, politisch engagiert,
aufgeklärt, alternativ und modern.
Dort würden Haushalte mit „sauberer Energie“ beglückt
Das Viertel ein Sehnsuchtsort
nach dem junge Menschen, –
aus dem ganzen Land,- verrückt.
„Wuuuuunderbar!“, schallt ein Echo entzückt,
wo gerade einer nackt und aufgescheucht
Mit Urschreien durch seine leere Dachmaisonette keucht.
In solchen Wohnungen rücken
die Küchen
in den Mittelpunkt,
des gelingenden Lebens,
umstellt von Bildungsbürgerbücherwänden –
mit tausend ungelesenen Bänden.
Über ihren Dächern setzt sich Rot-Grün zur Ruhe
und legt mit hedonistischem Getue
Hand an Blumen in einer Lärchentruhe
Und Kräuterkisten entlang der Geländer
Der nach Blühplänen orchestrierten
Dachgärten und begrünten Häuserwände.
Nachträglich hätte sich ein Nachbar, geht das Gerücht
einen chicen Kamin für 130 000 Euro bauen lassen,
um es behaglich zu haben,
über dem Trubel der Stadt und den Massen,
Man will ja nücht
auf zu viel Elend hinunterblicken!
Edles Essen für edle Menschenrassen..
Normalsein schadet an diesem Ort,
an dem solche Leute leben,
die vor der Normalität eben
fort,
hierher geflohen sind.
Mit Unikat-Brillen am Grind!
Zudem noch eifrig dabei,
eine Roma-Band zu verbannen,
die seit Jahren mit ihrer Dudelei
durch die Straße irrt.
„Die nerven!“, sagt der Szenewirt.
So wird es langsam besenrein,
hier im Ursulinenheim,
Bieder Biomeier kann sich tolerant fühlen,
weil Toleranz nie auf der Probe steht.
keine Moscheen wühlen
die ansässigen Weltbürger auf.
Die Wohnungen sind zu teuer
für Menschen und Durchschnittserwerber
Die keine Silberlöffel-Ererber
Es gibt weder Höhlen für Rapper noch Gangster
Keine Infrastruktur für lärmende Youngster
aus jener Unterschicht im Fegefeuer.
Hier gerieren sich Paare in einer Siegermentalität
als müsste sich die Sonne um sie drehen,
fern jeder Solidarität,
als gäbe es nur noch ein Oben und ein Unten,
Bescheißer und Beschissene zu sehen.
Und Sexy Mamas – nennt sich das Emanzipation?
Die Gentrifizierung des Bezirkes,
win win für dieses Stadtsegment,
seine Verwandlung und Verteuerung
Ein Bombengeschäft für das Establishment.
Die Wilden einstens jung
werden hier ruhiger,
bekommen Jobs und Kinder und – Eigentum!
Ur-Unkonventionelles Bürgertum
voller Ideale und gleichzeitig sehr rational.
Keiner will mehr eine Elterninitiative
‚Mehr Ausländer in die Klasse unserer Kinder.“
Heißt es keinesmal.
Und die Musikschule vertröstet ungeduldige Eltern,
Wartezeiten
für Geige, Klavier und Cello: ein Jahr!
Denn musikalische Früherziehung,
wie später Weinekeltern,
gehört zur Anfangsbemühung
in jeder Intellektuellenbiografie!
Nie zu früh!
Melden ganz Ehrgeizige voll Energie
ihre Babys
noch vor der Geburt für einen Platz
mit Lehrer und Saiten.
Kein Viertel, um Bauarbeiter, Putzfrauen,
oder Polizisten zu verbreiten.
Viele Fahrraddiebstahlsfälle,
Anrufe wegen Ruhestörung.
Wer vor fünf Jahren noch selber
auf der Straße bei einer Demo zur Stelle,
besteht jetzt abends auf Stille.
Je höher das Stockwerk,
desto niedriger die Toleranzenschwelle.
„Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?“
Selbstfindung ist das epidemische Betätigungsfeld
Hier protzt der größte Biosupermarkt der Welt.
Im Erdgeschoss stapeln sich
die Bioweine um teures Geld
in Kästen
meterhoch.
Ja, Dinkeltortenböden immer noch,
Schafmilchseife mit Ringelblume,
Ein Superfeiner Schwedenbitter,
Granatapfelsaft 12 Euro der Liter.
hinter versperrbarem Gitter.
Bio Katzenkroketten mit Fisch
und vegetarisches Hundefutter.
Man ist sich hier einiges wert.
Spiegelsprüche werden verkauft, fürs Bad
und über dem Herd:
„Ich bin schön“,
„´finde mich super“,
„Ich könnte mich küssen“.
An einem Brett,
hinter dem Kassengeviert,
hat dieser Bezirk
seine Herz plakatiert:
„Fasten im Waldviertel“ angepriesen,
„Rat und Hilfe bei Elektrosmog“,
auf den „Pro und Contra-Impfungen-Vortrag“ einer Homöopathin,
wird verwiesen,
„korrekte Kapitalveranlagungen einer Öko-Bank“
und ein „Workshop erholsamer Schlaf“ affichiert.
Stadtschamanen bieten
„Traumreisen aller Art
und Seelenrückholung mit Trommelbauen“.
Jeder Preis für Informiert-
heit
und Individualismus wird bezahlt.
Stets wird bedingungslos an der Selbstveredlung gewerkelt
und im Geheimen schweinisch geferkelt.
Dort leben gesundheitsbewusste Leute,
die sich Gedanken machen über Ernährung und Sport.
Den Vegetariern wird Vitamin B12 verschrieben,
Menschen leiden unter Allergien,
werden von Magen-Darm Syndromen getrieben.
Doch brechen die gestressten Freigeister
an den Gestaden der Freiheit.
Die Psychotherapeuten sind ausgebucht,
weil jeder dieser Menschen in sich sucht
und horcht,
dabei die Gestalt seiner Seele erforscht
obwohl gesund, dennoch ständig verspannt,
gar ein wenig krank.
Und sofort hat das ein Startup erkannt,
der kriegt bereits für die Idee
Kredit von der Bank.
Yoga läuft gut im Moment.
Auch Kinderyoga,
Wo mit Klangschale und Kerze
ein Besinnlichkeitsreisender aus tiefstem Herze
sein Mantra auf Sanskrit den Neuen benennt,
Dann Sonnengruß,
stark wie ein Berg… fest wie eine Brücke…
die Erde trägt mich…
Fußball spielende Buben
sieht man recht selten
in diesem versteckten Altbauviertel,
Hier herrscht der Bio-Biedermeier in den Stuben
der neuen Welten
Es gleicht einem Ghetto, braucht keinen Zaun,
Denn Zuwanderung wird dort
über den Quadratmeter-Preis geregelt.
Wer nicht das Richtige isst, trinkt oder trägt,
hat schnell das Gefühl, als der Falsche an diesem Ort
zu gelten.
Man glaubt sich so offen
und hat sich eingeschlossen.
Und will nicht wahrhaben,
dass man ganz anders ist,
als man zu sein glaubt!