Poetry Night 23

Unstabile Zustände der Materie 


In geschwätziger Glückseligkeit schrecken wir auf,
Tapfer fädeln wir Gedanken in die Irre,
In eine Zukunft, die von Buchstaben bestimmt wird.

Worte, gemahlen im kalten Mörser der Hand,
Ihr Mehl siebt durch verzweifelte Finger,
In den Sack des Kommerzes,
Der an einer Betonsäule hängt.

Köpfe in Flammen vor Lärm und Infos
Zwitschern wie verrückte Vögel im fiebrigen Himmel,
Doch inmitten dieser Kakophonie eine stille Sehnsucht
Nach dem Wiegenlied der Atempause.

News von Chaos und Verzweiflung
Ertränken das Flüstern der Seele,
In diesem Geschrei gerät die Materie ins Wanken
Und das Herz zahlt den Tribut.

Betonsäulen, Zeugen des Fortschritts,
Gedanken und Träume ringen und winden sich
In den Schatten dieses urbanen Käfigs,
Wo im Kampf ums Überleben der Sinn verwelkt.


Geflüster tanzt auf flüchtigen Winden,
Sucht Trost in der Umarmung der Ruhe,
Doch das Geplapper bleibt, ein unaufhörlicher Strom,
Bindet uns an den Lärm des täglichen Rennens.


Oh, Ruhe zu finden am Busen der Natur,
Dem Zufluchtsort für eine  Gelassenheitskur.
Doch der Lärm klammert sich hartnäckig fest,
Wie Efeu an den Wänden der Gedanken,
Und verstrickt den Geist in ein Netz von Worten,
Von geschlagenen Schlachten und gesuchtem Zwist. 
Zillen tanzen

In stiller Eleganz auf sachten Wellen,
Tanzen Zillen angetäut an Landestellen.
Ein Wasserfahrzeug aus längst vergangener Zeit,
Von Namen vieler, längst verwehter Emsigkeit.

Schute, Prahm, hat man sie einst genannt,
Haben Last befördert, wo der Fluss entschwand.
Aus alten Tagen singt der Wind ein Lied,
Von Frachten schwer entlang an Au und Ried.

Flachbodig und mit Rumpf so spitz geschnitten,
Durch Wasserwege, leise gen den Strom sie glitten.
Die Zille liegt, der Fluss ergreift sie sacht,
Gering ihr Tiefgang und gleichwohl voller Macht.

Aus Nadelhölzern stark, Lärche oder Fichte soll’s sein
Entstehen neue Zillen, im alten Schein.
So tanzt die Zille noch heut an der Donau Flut,
Eine Zeugin alter Tage voller Lebensmut.
Zwei weiße Schmetterlinge


Zwei weiße Schmetterlinge haben sich gefunden 
Und scheinen fröhlich fest verbunden. 
Sie flattern freudig hin und her 
Und 'götzen sich am Blumenmeer. 
Ein Wogen ist's, ihr Flug Gesang 
Und Wonne schenkt ihr Tun. 

Doch plötzlich fällt aus Wolkenhöh‘ 
Ganz unvermutet eine Bö' 
Und treibt die Falter auseinander, fort, 
Ein jedes zu ' nem andren Ort.

Ihr Flügelschlag verweht im Wind,
Verhallt ist aller Liebe süßes Lind.

O Hörer, hätt'st du selbst erblickt,
Wie Schicksal zarte Bande bricht.
In diesen Zeilen lebt ihr Leid,
Zwei Engel, die der Götter Sturm entzweit.
Götter auf den Strahlen der Sonne
(für Wladimir und Volodymyr)


Götter auf den Strahlen der Sonne,
Durch die Lüfte wie Adler gleiten,
Hinab zur blutigen Erde ihre Schwingen sich breiten,
Kreischend zu Grabeslauten und eitler Wonne.

Krieg herrscht in den Wäldern und Steppen,
Wo Soldaten Kanonen und Raketen schleppen,
Um Luhansk, Donezk und Cherson,
An den Wogen des Dnjepr, Hohn und Hunger als Lohn.

Die Götter bewundern den Triumph ihrer Söhne,
Trinken das Blut und schüren den Hass,
Sie loben den Mut und der Verletzten Gestöhne,
Als wäre dies Schicksal ein Spaß.

Mögen die Götter verstummen in ihrer Gier,
Ersticken an dem, was sie angerichtet,
Versinken in diesem Tumult ohne Sinn 
Und hören auf jeden, der über Leid so dichtet,
Als ein vom Frieden Bewegter da, hier! 
Ungeordnetes Gefühl (m)eines Geistes

Sanft plätschert Plastik an den Meeresstrand 
Zerrieben zwischen Stein und Sand 
 
Gräbt sich unsichtbar in die Tiefe der Keimzellen
Heimlich, ohne Erregung, geschleudert in Wellen. 
Unermüdlich gemahlenes Plastik
In den Mühlen der Natur,

Vom Himmel fällt feinstes Plastik im Regen auf die Felder 
Wächst mit den Pflanzen, immer weiter, immer schneller
Weit über sich hinaus 
Ins tägliche Brot 

Flutwellen aus Plastik, die Welt beugt ihr Knie, 
Das Treibgut, die Muscheln und Weihwasser
Sind voller Chemie
Sogar im Fruchtwasser Tropfen ohne Leben, 
giftiges Spray.
Aus Dachrinnen spuckt Plastik seine Prophezeiungen.
Augen schauen durch Plastik
Und sehen nichts.

Plastik, das uns verschlingt und entfremdet,
Das mit Chirurgen Gesichter und Körper erfindet,
Plastik wohl auch der Sarg, in dem alles endet.
Wie absurd, welch bittere Pein,
Dass Kunststoff könnte Nahrung sein.

Sanft plätschert Plastik weiter an den Meeresstrand 
Zerrieben zwischen Stein und Sand